Geschichte der Stadt Limbach
Die Entwicklung Limbachs vom Bauerndorf zur Industriestadt
Geschichte und Gegenwart
Wenn Sie einen Spaziergang durch die Stadt Limbach-Oberfrohna unternehmen, werden Sie feststellen, dass diese anders ist als die meisten Städte in Sachsen. Man sucht vergeblich ein dicht gedrängtes, mittelalterliches Stadtzentrum. Unser Stadtkern reicht vom Rathaus (ehemaliges Rittergut), dem Markt über die Moritzstraße, Hechinger Straße und den Johannisplatz bis zur Helenenstraße. Große Bürgerhäuser wechseln sich mit ländlich anmutenden Häuschen ab. Viel Grün ist in den Parks und Gärten der Stadt zu finden. Am Stadtrand laden ausgeprägte Natur- und Teichlandschaften zum Erholen ein.
Im heutigen Stadtbild fallen die vielen kleinen und mittelständischen Fabriken auf, in denen aber meist nicht mehr produziert wird. Sie alle sind Zeugnisse einer Vergangenheit, in der diese Stadt einen erstaunlichen Aufschwung aufzuweisen hatte. Man stellt sich unwillkürlich die Frage, wie es kam, dass ausgerechnet hier, abseits von früheren Handelsstraßen oder Wasserwegen, in unmittelbarer Nachbarschaft der vitalen Stadt Chemnitz, eine solch junge Stadt entstehen konnte. Es gab hier vor 300 Jahren ein kleines Dorf Limbach und kleine Nachbardörfer, die zum Rittergut gehörten. Limbach hatte gerade mal das Rittergut, die heutige Stadtkirche, zwölf Bauerngüter, eine Brauerei mit Gasthof und eine kleine Färberei am Markt sowie einige Häusler vorzuweisen. Neben der Landwirtschaft betrieben die Bewohner eine bescheidene häusliche Weberei, wie überall in der Gegend. Das Aufblühen hing zusammen mit einem neu entstehenden Gewerbe, der Strumpfwirkerei, und der Weitsicht der Rittergutsherrschaft.
Die ersten Impulse zur Entstehung dieses neuen Gewerbes in Limbach setzte Johann Esche (1682-1752), der ab dem Jahr 1703 als erster Strumpfwirker sächsischer Herkunft tätig war. Mit einem anfänglich nur allmählichen Anstieg der Strumpfwirkerei in Limbach verbreitete sich diese auch im Umland und in Westsachsen, so dass der Wirkerei-Pionier Johann Esche mit Recht als Vater der späteren westsächsischen Maschenwarenindustrie zu bezeichnen ist.
Allerdings kennen wir nicht die Herkunft des ersten Wirkstuhles, den Johann Esche im Jahr 1703 besaß. Die Legende jedoch um den angeblichen Kutscher Johann Esche, der einen ersten Wirkstuhl nach dem einmaligen Besuch bei einem französischen Strumpfwirker in Dresden um 1703 nachbaute, entstand durch Übertragungsfehler in der Literatur. Denn Johann Esche war kein Rittergutskutscher. Alle ursprünglichen Literaturquellen nennen Esche als Strumpfwirker bei der Dresden-Reise. Da er Fachmann war, ist sein anschließender Nachbau eines speziell für Seide tauglichen Wirkstuhls heute als realistisch anzusehen. Das Wirken mit Seide gelang ihm gemäß Kirchenbuchanalyse ab 1732. Nach dem Tod Johann Esches im Jahr 1752 gründete sein Sohn Joh. David Esche eine Seidenstrumpfmanufaktur, mit der Limbach in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts zum Hauptort der Seidenstrumpfherstellung in Sachsen wurde.
Aber die Einführung einer Seidenwirkerei mit dem Seidenwirkstuhl-Nachbau Johann Esches war nicht sein einziges Verdienst. Bereits ab dem Jahr 1735 wurde er Obermeister einer ersten Limbacher Strumpfwirkerinnung. Weil Limbach ein Dorf war, wurde diese Innung zwar nicht bestätigt, doch als wichtige Folge entstand eine Struktur mit kleinen Meisterbetrieben in der Limbacher Wirkerei. Parallel wurde durch den Rittergutsbesitzer Antonius III. von Schönberg ein Schutzschirm errichtet, das Recht für die Wirkermeister, auf des Ritterguts Grund und Boden ein Handwerk zu betreiben. Limbach wurde zum Anziehungspunkt, weil es diese besondere Gewerbeerlaubnis zu einem geringen Preis von jährlich nur 8 Groschen Schutzgeld gab, und weil es eine innovative Wirkerei mit einem überregionalen Vertrieb durch den Handelsmann Johann Esche gab. So konnte sich eine starke dörfliche Wirkerei entwickeln, was damals nicht im Interesse der städtischen Innungen lag. Es kam zu einem kräftigen Anstieg der Wirkerei in Limbach, Kändler und Oberfrohna, der zu 50 Prozent aus Zuzügen von Wirkermeistern aus anderen Orten entstand, beziehungsweise aus Zuzügen von Wirkern, die in Limbach zum Meister wurden. Die aktive Einflussnahme auf den Wirkereistandort Limbach und damit den Einwohnerzuwachs setzten die nachfolgenden Rittergutsbesitzer fort. Bereits ab 1750 begann Georg Anton von Schönberg mit der Erschließung von neuem Bauland. Es entstand das damals noch getrennte Dorf „Helensberg“, welches den Namen nach Helena Dorothea von Schönberg erhielt, der jungen Ehefrau des Georg Anton von Schönberg. Nach dem Tod des Ehemanns 1755 führte die junge Witwe das Werk fort. In ihrer Herrschaftszeit waren 30 kleine Wohnhäuser bis zum Jahr 1761 im neuen Dorf fertig gestellt worden. Diese erste Wirkersiedlung ist heute die Helenenstraße.
Helena Dorothea von Schönberg (1729-1799), ab 1755 war sie Rittergutsbesitzerin, setzte weitere bedeutende Meilensteine der Gewerbe- und Dorfentwicklung, so zum Beispiel die Erlangung des Marktrechtes (vor 1780), das Limbacher Innungsrecht für die Wirkerei (1785), das Recht, jährlich zwei Jahrmärkte abzuhalten (1795) und die Erweiterung der bisherigen Wirkersiedlung am Helenenberg um das Dorf „Dorotheenberg“, die heutige, nach ihr benannte Dorotheenstraße.
Dies alles waren wichtige Voraussetzungen für die im 19. Jahrhundert einsetzende stürmische Entwicklung zur Industriestadt.
Zur Innung gehörten nicht nur Wirkermeister aus Dörfern, die heute Stadtgebiet sind, sondern auch einige aus anderen Dörfern. Die Söhne, Enkel und Urenkel Johann Esches waren Pioniere dieser vorindustriellen Entwicklung, zusammen mit vielen anderen. Nicht zu vergessen ist dabei auch der Maschinenbau, dessen Grundlagen parallel zur Wirkerei im 18. Jahrhundert entstanden. Johann Esche als „Stuhlmacher“ hatte nach seinem Tod 1752 die Nachfolger Johann Gottlieb Schubarth und Samuel Lindner. Ab 1811 wurden in Limbach Handkettenstühle eingesetzt, mit denen die Wirker eine Spitzenstellung in der Handschuhfertigung erreichten. Mit den etwa Mitte des 19. Jahrhunderts eingeführten mechanischen Rundwirk- und Kettenwirkmaschinen erfolgte der Übergang von der häuslichen Manufaktur zur fabrikmäßigen Produktion, weil die Dampfmaschine als Antriebsaggregat einsetzbar wurde. Zwei Urenkel von Johann Esche waren die ersten, die diesen Schritt vollzogen. 1853 wurden die Strumpffabriken Moritz Samuel Esche (der erste Gebäudeflügel der heutigen Turmpassage) und Reinhold Esche (der erste Gebäudeflügel links beim heutigen Esche-Museum) errichtet.
In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde die Industrie von Limbach und Oberfrohna weltbekannt. In den Gründerjahren entstanden massenhaft Industriebetriebe. Die Region entwickelte sich zum weltweit führenden Zentrum der Wirkhandschuhfabrikation, während die Strumpfherstellung an Bedeutung verlor und in Richtung Erzgebirge abwanderte.
1869 wurde in Limbach die erste Wirkereifachschule der Welt gegründet. Eine Weltsensation der damaligen Zeit. Ihr erster Direktor war Prof. Gustav Willkomm (1839-1910), welcher sich große Verdienste um die Schaffung einer wissenschaftlichen Grundlage der Technologie der Wirkerei erwarb.
In der weiteren Folge erreichte die hiesige Industrie auf vielen Gebieten führende Positionen, wie z.B. im Kettenwirk- und Spezialnähmaschinenbau. Mit der rückläufigen Nachfrage nach Handschuhen in den 20er und 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts stellte man sich verstärkt auf die Herstellung feiner Trikotagen um, vorrangig auf Konfektion von Unterwäsche. Hier erfolgte in den 1920er Jahren erstmals der erfolgreiche Einsatz von „Kunstseide“.
Durch das vom Ingenieur Heinrich Mauersberger entwickelte, modifizierte Kettenwirkverfahren „MALIMO-Technologie“ wurde die Stadt in den letzten Jahrzehnten international bekannt. Ingenieur Heinrich Mauersberger (1909-1982) wurde 1963 zum Ehrenbürger der Stadt ernannt.
Ehrenbürger der Stadt ernannt.
Bedingt durch den Strukturwandel in der Gesellschaft und der Wirtschaft kam es nach 1990 zu einem Rückgang der einheimischen Industrie. Gegenwärtig ist eine neue Branchenvielfalt kennzeichnend für Limbach-Oberfrohna. Metallverarbeitendes Gewerbe, Fahrzeugzulieferindustrie, Mikromechanik, Informatik, Automatisierungstechnik, Unternehmen der Textilindustrie und auch der Dienstleistungssektor sind in der Stadt angesiedelt.
Zurzeit gibt es rund 2700 Gewerbeanmeldungen, das heißt hier wurden Arbeitsplätze erhalten und neue Arbeitsplätze geschaffen.
In neu erschlossenen Gewerbegebieten, an traditionellen Industriestandorten und durch die Revitalisierung von Indus-
triebrachen haben sich zahlreiche Unternehmen etabliert. Damit ist Limbach-Oberfrohna wieder eine Industriestadt geworden. Der Bau neuer Wohn- und Geschäftshäuser, die erfolgreiche Innenstadtsanierung einschließlich der Helenenstraße, die Modernisierung der zahlreichen Sport- und Freizeiteinrichtungen, das Freizeit- und Familienbad „LIMBOmar“, die moderne multifunktionale Stadthalle und ein vielfältiges kulturelles Angebot tragen dazu bei, dass die Lebens- und Wohnqualität in unserer Stadt von hohem Niveau ist.
Limbach-Oberfrohna setzt sich aus den Ortsteilen Limbach, Oberfrohna, Rußdorf, Kändler, Pleißa, Bräunsdorf, Kaufungen, Wolkenburg, Dürrengerbisdorf und Uhlsdorf zusammen. Das gibt unserem Stadtbild ein reizvolles Gepräge von städtischem Flair und ländlicher Idylle.
Das idyllische, seit dem Jahr 2000 durch die Stadt Stück für Stück sanierte Schloss Wolkenburg, hoch über dem Tal der Zwickauer Mulde, lädt zur Besichtigung und zu Veranstaltungen ein. Sehenswert sind besonders der schmucke Festsaal, in dem unter anderem Trauungen und Konzerte stattfinden, sowie die einmalige Rundbibliothek aus dem 18. Jahrhundert. Zudem wurden Ausstellungsräume restauriert, zu denen auch das Einsiedel- und Uhde-Kabinett gehören. In letzterem sind zwei Originale des in Wolkenburg geborenen Künstlers Fritz von Uhde zu bewundern, der zu den großen deutschen Meistern des Realismus und Impressionismus zählt.
Im Jahr 2011 konnte das Esche-Museum in einer historischen Fabrik im Herzen der Stadt eröffnet werden. Es lädt zu einer Entdeckungsreise durch die Wirkereigeschichte – von der Familie Esche über die weltweit erste Wirkschule bis hin zu Heinrich Mauersberger und MALIMO – ein. Außerdem zeigt es die enge Verknüpfung von industrieller Entwicklung und Stadtgeschichte mit zahlreichen Exponaten, wie einer wertvollen Innungslade. Mit besonderen museumspädagogischen Angeboten wendet sich die Einrichtung besonders an Schüler aller Altersgruppen in der Stadt und der Umgebung.
Verfasst von Irmgard Eberth und Dietrich Esche vom Förderverein des Esche-Museums im Jahr 2019.